Freitag, 7. September 2018

WEITERE TRACTATUS (PLURAL, U-DEKLINATION!)

CGM 841, 30, fol. 219 v: geistliche Lehre für Ordensleute.
CGM 447, 22, fol. 95v-96r: Lehren für Ordensleute.
CGM 210, fol. 86 vb-91vb: Berthold von Regensburg: 6 Klosterpredigten.
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CGM=Codex germanicus monacensis=Münchner Kodex der bayerischen Staatsbibliothek; mittlerweile kann man viele als Digitalisate betrachten, was sehr erbaulich ist. Jeder, der daran Freude hat, kann versuchen, diese alten Handschriften aus dem 15. Jh. zu entziffern.
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CGM 795: TRAKTAT VOM GEISTLICHEN STREIT (TEIL 5)

fol. 91 v: Das soll man so lange tun, bis man bei solchen Betrachtungen der eigenen Sünden betrübt wird und einem die Fresserei endgültig vergeht ("das jm das essen mer ein wi-?- (Widerwillen ?) sey dan ein kurz weill (=Vergnügen)", denn das Essen ist der Keuschheit widerwärtig ("wan das essen wider werdig ist der keuschait").
Unklare Stelle: Man soll keine Zeit für den Leib verlieren, da dies uns von den wahren=geistlichen Dingen abhält ("und von geistlichen dingen zyech"=ziehe; wegziehe).
Doch der Feind lauert nicht nur außen, sondern auch in uns drinnen ("uns ist nicht allein ausen zu vorchten (=fürchten) wan jn uns selbs ist unser feint beschlossen (=eingeschlossen)"). Wenn wir den inneren Feind überwinden, leiden darunter die äußeren Dinge ("so werden alle aussere ding krank gen (=gehen)"). Man soll allein dem Geist untertänig sein. Es hilft nicht, daß wir uns alleine äußerlich enthalten vom Essen. Unklare Stelle: Das "Fasten" der Seele, was Untugenden angeht...; es gibt auch schädliches Essen für die Seele: "die sel hab auch ein schedlich essen"; es folgt der Zusatz "hinder red ist jr essen: gar suess ist ir essen und ist doch piter der sel" ("hinderreden"=verleumden, übel nachreden; vielleicht: ihr "Essen" spricht nicht gerade für sie (???); es ist gar süß und doch (in Wirklichkeit) bitter für die Seele; wer eine Idee hat kann es in den comments posten, wer keine hat, kann es auch posten).
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FINIS

CGM 795: TRAKTAT VOM GEISTLICHEN STREIT (TEIL 4)

fol. 90 r:...so versinket er.
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Keine Sünde ist zu leicht zu nehmen. Wenn man sie durch Gott vermeidet, mehrt das die Gnade und mindert das Fegefeuer ("myndert das fegfewr") und mehrt den himmlischen Lohn. Aber niemand hat so scharfe Augen, daß er von selbst die vielfältigen Listen der Sünden und Untugenden erkennen kann ("selber erkenne die mannigfalltigen list der sunden und untugent").
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Ab hier habe ich wieder größte Schwierigkeiten,den Sinn zu verstehen: es geht, glaube ich, um eine Arznei ("ergeney" ???) gegen die Sünden. Ich bin hier aber mehr als unsicher!
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Sodann geht es um das Fasten ("vasten"; "kestigung"=Kasteiung; "das der mensch nymer uber laden wird mit kainer speis wan nicht allein die fulhait sunder auch die grosshait des essens die krenkt das herz=der Mensch soll sich nicht mit Fressen überladen, denn nicht nur die Fülle, sondern auch die Menge des Essens macht das Herz krank). Davon kommt auch die Unkeuschheit. Es geht nun um die Schädlichkeit von Fressen und Saufen: "da von wechsst jm unkeusch und nicht allein die uber mass des weins macht das gemut trunken sunder das man ysset mangerlay speis und aller maist uber mass des essens macht das gemut wankeln und beraubet es aller lauterkait des herzens...
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Es wird Essig und gutes Essen empfohlen: essige und gute speis die beraiten den menschen die gesundhait des leibs und benympt (=nimmt weg) nicht die lauterkait (=Reinheit) dem herzen ob sy (=wenn sie) mit mass genumen werden...
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Die Lehre der Heiligen besagt, daß die Kraft des Fastens einzig liegt am Maß des Essens ("das die krafft des vastens allein lig an der mass des essens")
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fol. 90 v: Das ist das Ziel ("end") der Vollkommenheit. Und wer sich da rausredet, der redet unweise ("nicht weisslich"). Dem Leib soll man nur das Nötige geben, so daß er der Seele diene und sie nicht unterdrücke ("nicht das er sy vertruk").-PAULUSZITAT: niemand soll erwählt werden, bevor er ehrlich gekämpft hat. Mit diesem Streit muß ein Geistlicher beginnen ("anheben"=anfangen; lat. incipere).
Nur im ehrlichen Streit (gegen das Fleisch usw.) bekommt man "die ere und kron des gesigs" (eine Ehrenurkunde und die Siegerkrone). Aber: "von wem der man uber wunden wirt des knecht ist er von recht"=von dem man besiegt wird, dessen Knecht ist man (nach dem Recht; rechtens; zurecht).
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Unklare Stelle: Wenn wir zu Knechten des Fleisches werden, so werden wir mit Schaden/ Schanden (?) aus dem geistlichen Streit vertrieben: so wir zu hand (=sogleich) als die knecht des fleisch mit scha(n)den vertryben von dem streit alles geitlichen kampffs
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Mit vollgefressenem Bauch, läßt sich eben schwer kämpfen oder etwas erkennen (plenus venter, non studet libenter): es ist unmüglich das der voll pauch mag erkennen den kampff des ynnteren (=inneren) menschen und der ist nicht wirdig das er mit hochem streit an gefochten werd der von leichtem kampff uber wunden mag werden (der ist nicht einmal würdig, daß man ihn anfechtet; in hohem Streit=edlen Streit angreift, der von einem kleinen Kampf gleich besiegt wird; d.h. er ist kein ehrenvoller Gegner!).
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Erstens sollen wir die Fressgier überwinden ("geitigkait;-hait des munds"=avaritia) und das Gemüt reinigen, nicht nur mit Fasten, sondern auch mit Wachen und steter Reue und Seufzen. Dazwischen solle man von der Begierde nach Vollkommenheit entzündet werden.
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CGM 795: TRAKTAT VOM GEISTLICHEN STREIT (TEIL 3)

fol. 90 r:...und stat starker wider auf (=und steht stärker wieder auf)
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(...)
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got ist berait dir zu hellffen wie dik du auch uber wunden wirst du wirst doch nicht sigloss genant piß das du den kampf aufgibst und willt nymer streiten aller erst wirstu geurtailt sigloß (=Gott ist bereit, dir zu helfen, wie sehr ("dick") du auch überwunden wirst, wirst du dennoch nicht sieglos genannt, bis du den Kampf aufgibst und niemehr streiten (kämpfen) willst, dann wirst du erst als sieglos beurteilt; vorher nicht.)
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Wer sagt, daß er sich nicht um die harten Lehren der Tugend kehre, daß er es nicht packt, daß es Gott einem umsonst geben soll und daß er nichts dafür tun will, der ist gewaltig auf dem Holzweg: dies lehrt nicht die Vollkommenheit, so lernt man keine Vollkommenheit:
nun spricht manig mensch jch ker mich nicht an die horten lere der tugent jch mag es alles nit zukumen (=zu etwas kommen u.a.) got muß mir die genad umb sunst geben jch mag nicht dar nach arbaiten also lernt uns nicht die vollkumenhait
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Man muß die Tugend einüben und danach streiten, sonst gibt es keine Gnade!
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Keiner hat so viel davon, daß er die Sünde geringschätzen kann; die Sünde könnte sogar tödlich werden: es hat nemant so vil genaden das er die sund sol leicht achten oder clain wan yetlicher tegliche sund mag todlich werden
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Dies bestätigt auch AUGUSTINUS ("augensting"!). Der Gedanke wird noch einmal variiert.
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dar umb sal man sich ser huten vor teglich sunden wann der mensch kumpet jn die tieff der sunden...
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CGM 795: TRAKTAT VOM GEISTLICHEN STREIT (TEIL 2)

dein gerech (?; =Ausrüstung ?)
fol. 89 v: sey die stärk  dar mit ficht (also doch "ficht") menlich wann vil mer sind die mit uns sind der (denn ?) dye wider uns sind
=deine Ausrüstung sei die Stärke mit der du männlich fechtest; denn viel mehr sind mit uns als die, die gegen uns sind
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Petrus: Widersteht dem Teufel und schon flieht er von euch! Wenn man ihm nicht folgt, ist er schon besiegt:
das du jm nicht willt follgen dar mit ist er uber wunden
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So einfach geht das!
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Das Schwert ist das Wort Gottes: dein schwert das sey das got wort das soltu alle zeit jn deinem herzen tragen und haben
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Damit überwindet man die Räte des Teufels: do mit du uber wundest sein ret (?)...
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Ist man dann bekehrt, so spreche man: Ich tue nicht, was du willst, und dann? Dann schlägt man ihm den Kopf ab! Fertig!
...die bekorung in dein hertz kumpet so sprich du teufel ich th(u) sein nit und mit dem schwert schlechst du im das haubt ab das er dich nymer mer uber wünden mag
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Ende, erledigt!
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Für alle Fälle hat man noch den Speer=allegorisch für Stärke: dein sperr das sey der stark will do mit du einer yeklichen betorung widerstest (=mit dem du einer jeglichen Betörung (=Betäubung; Betrug; wenn man zum Toren gemacht wird) widerstehst)
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und sprich du teufel ich thu sein nicht
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Mit dem Speer soll man dem Teufel ins Herz stechen: mit dem sper stichestu jm sein herz durch
Je mehr man spricht, daß man nicht seinen Willen tut, desto tiefer geht der Stich! Wenn man sagt: Ich tue das nicht, ist dies eine Wunde in seinem Herz.
Unklare Stelle.- Nichts ist so stark gegen den Feind, wie an die Martern Jesu zu denken.-Noch eine Warnung:
so du dich also gewapnest hast so (?) menlich jn dem kampf ver pringest das dich der ander anfellt dar umb solt du aber nicht verzagen wan ye lenger du streitest ye (?; mer ?) du streiten lernest und ye (?) du gesigest ye manhaffter du wirst zu dem streit(=sinngemäß: wenn man sich also so bewaffnet hat und männlich im Kampf -?- (es dahin bringst (?), verbringen=vollenden, vollbringen, durchsetzen u.a.), daß dich der andere angreift (anfällt), deswegen sollst du nicht verzweifeln (verzagen), denn je länger du kämpfst und streiten lernst, je mehr du siegst, desto tapferer (mannhafter) wirst du zum Streit (für den Streit; Kampf).-Übung ist alles!
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Jeder Sieg gibt Punkte im Buch des Lebens:
und ein yettlichen sig den du gewinnest wirt dir geschriben jn das puch des
lebens
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Wird man niedergeschlagen, soll man nicht verzagen (never give up!), sondern wieder auf stehen:
sunder stant wider auf an den streit wan die geschrifft spricht der gerecht fellt siben mall jm tag (=der Gerecht fällt siebenmal am Tag)
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CGM 795, FOL. 89 R-91 V: DER TRAKTAT VOM GEISTLICHEN STREIT (TEIL 1)

In dieser kleinen Schrift geht es um den Kampf gegen das Böse: Kriegsziel ist sozusagen, die Welt, das Fleisch und den Teufel zu überwinden, was ja bekanntlich alles andere als "easy" ist.
Gegen diese drei Feinde soll man drei Freunde um sich sammeln (Sinne, Begierden, Gedanken). Auch bedarf man der Ritter Gottes und seiner Kämpfer. Doch wer kämpft, empfängt auch Schläge und Wunden.
Über die Abkehr von der Welt hat der Autor schon vorher geschrieben. Wo?).
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daz=das!
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fol. 89 r: wann du der welt wider gesagt hast als wir vor gelert haben und dem fleisch und dem teuffel so solt du wissen das auch sy sich wider dich seczen mit feintlichem kampf...
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Der Teufel schlägt also zurück! Er widersetzt sich (fast möchte man sagen in Notwehr).
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da von solt du gen (=gegen) disen dreyen feinten besameln drey freint in geordent schar: das sind alle dein sinn alle dein begird alle dein gedank gen in (=gegen ihn) zu vechten...so bedarffest du wol gottes ritter und sein kempfer...
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Damit soll man sich "befestigen"/ oder: sich darauf verstehen (?). Ein Ritter, der nicht fechten kann/ schlecht fechtet (oder sagt man "ficht"?), empfängt große Wunden:
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das du dich allso vestest/ verstest wan wellicher riter verkenet (=kann nicht ?) vechten will (?) der entpfeht manige grosse wunden und schlag...
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Erstens soll dein Helm die Gottesfurcht und Hoffnung sein:
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zu dem ersten sol dein helm sein die gotes vorcht und hoffnung das du nymermer verzweiffelst sunder...mit starkem herzen vechten und mit ganzer zuversicht...
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Es folgt eine dunkle Stelle und eine Art Aufruf, der anscheinend Mut machen soll:
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...an ruefft von herzen auch spricht er selber zu allen den die in streit sind gehabt euch wol ich han die wellt uberwunden ir miget sy auch uberwinden wan ich pin mit euch...ich wil euch wider erlossen (=erlösen)...
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Den Rest der Seite kann ich nicht richtig lesen: Es geht u.a. darum, daß einem Gott, seine Heiligen und die Engel in diesem Streit beistehen ("die sind da pey dir zu helffen und alle heiligen enge(l)n...).
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Die ganze Schlußpassage ist mir völlig unverständlich: Ich erkenne lediglich, daß man einfältig im Glauben sein soll ("ganz einfeltiger gelauben").
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Mittwoch, 5. September 2018

FREIBURG, HS 215: EINFALT ALS TUGEND!

Die Universitätsbibliothek Freiburg besitzt eine Sammelhandschrift, in der sich eine kleine Abhandlung "Von der Einfalt" befindet (HS 215, 135 r-144 v). Der Text stammt aus dem 16. Jh.: "...schene ler von einvaltigkait SALOMON sprycht wer do ain veltigklichen wandlet der wandlett zuo verschtiklichen oder sicher(er)...": schöne Lehre von der Einfalt Salomon spricht, wer einfältig wandelt, der wandelt zuversichtig oder sicher(er)..."
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Der Mensch früherer Zeiten war durch die Bank von schlichtem Gemüte, was aber nicht negativ empfunden wurde, ganz im Gegenteil! Der Einfältige ist in seiner sancta simplicitas gottgefällig und er bewahrt sich durch seine Einfalt davor,  in die Welt mit ihren oft gefährlichen Händeln verstrickt zu werden.
Heute dagegen will man schlau, clever, smart, "abgezockt", "hip", "stylish" sein, und dergleichen Greuel mehr. Was ist nun besser?
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PREDIGT VOM GEISTLICHEN LEBEN UND STERBEN: DER TOD UND DIE ABLÖSUNG DER SEELE

Die Berliner Staatsbibliothek besitzt eine Sammelhandschrift (ms. germ. quart. 171 (?)), die eine Schrift über das geistliche Leben und Sterben enthält. In dieser Abhandlung finden sich einige interessante Gedanken darüber, wie sich die Seele vom Körper löst.
fol. 210 r: "Diß ist ein ler von geistlichen leben und sterben der heidensche maister ARISTOTILES der sprichet... (der Sinn der Stelle ist äußerst kryptisch; ich konnte mir keinen Reim darauf machen; vielleicht hat ja ein anderer eine Eingebung (superno dono), ich leider nicht!). Es geht darum, daß Gott alles "gewircket" (=geschaffen) hat, daß die Kunst der Natur folgt, soweit sie vermag, daß sie nach dem Bild des Menschen arbeitet, ein Vögelein in der Kunst nach einem Vögelein in der Natur gestaltet wird. Jetzt kommt ein harter Übergang: "also geistlichen sprich ich suellen wir ersterben be(j) allem den (dem ?) das got nit ist" (man soll allem ersterben, was nicht Gott ist, also sozusagen "tot" für diese Dinge sein); das muß noch bei Zeiten geschehen ("das muoz ouch geschehen noch by zeithen als SANT PAULUS sprichet"). Zitate von JOHANNES und GREGOR; bei letzterem geht es um das Wahrnehmen von Menschen, wodurch sie oder wir in der Tungend zunehmen (Sinn unklar).
fol. 210 v: Wieder geht es um die Imitatio Christi, der für uns gelebt hat und gestorben ist ("ich wil jme ouch leben er ist mir erstorben...an dem crutze"=ich will auch für ihn leben, er ist für mich gestorben... am Kreuz). BERNHARD VON CLAIRVAUX spricht: Der Mensch kann nicht sicher leiblich sterben, wenn er nicht vorher geistlich gestorben ist ("der mönsche mag nit wolle (=wohl) sicher liplich sterben er sy den vor (=es sei denn, daß er vorher) wol geistlichen erstorben" (=richtig geistlich gestorben ist).
"es war ein frog under naturlichen meistern was ist der tot...": es war (gab) eine Frage (einen Disput; eine quaestio) unter den "natürlichen Meistern" (=Naturphilosophen; heidnische Philosophen), was der Tod sei...
"einer sprach der dot ist ein zer zerren (sic!) naturliches bandes": der Tod ist ein Außeinanderzerren des natürlichen Bandes".
"das das scheidet sel und lip": das die Seele vom Leib scheidet.
"also wirt wol sehen daz die sele nit gerne scheidet von dem libe": also wird gut gesehen (daran kann man gut sehen), daß sich die Seele nicht gerne vom Leib scheidet (trennt).
"sü flühet von eim glide in das ander bistz zuo dem hindersten in das hertze": sie flieht von einem Glied zum anderen bis zu dem hindersten in das Herz.
"das ist das erste das das leben enpfohet": das ist das erste, das das Leben empfängt (Sinn ?).
"und das -?- do stürbet: und das sterbe (Sinn ?).
"die sele scheidet ungern wan sü nit entweiß obe sü got würdig sü": die Seele scheidet ungern, weil sie nicht weiß, ob sie Gottes würdig sei.
"durch liebe oder durch Hass und weiß nit wie sü würt geurtei(l)t (geurtelt ?)": durch Liebe oder Haß und sie weiß nicht wie sie beurteilt wird.
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CGM 800: AUSLEGUNG DER BENEDIKTINERREGEL

fol. 2 r: "Hie hebt sich an ain auslegung oder ain kurcze ermanung uber die regel des heiligen heren und vater SAND BENEDICTEN"
Der Text beginnt mit einer Anrede an die "lieben Brüder im Geiste", die diese böse Welt verschmähen wollen: "Eya ir aller liebsten prueder oder alle die dise welt begeren zw (lies: zu; zuo ?) verschmaechen und ir hercz und gemuett auff zw gott wellen erheben".
Diese sollen-alle mal herhören-"die Ohren des Herzen" zu der Lehre hinneigen: "naygt die oren eurs herczen zw der ler der regel unsers heiligen vaters SAND BENEDICTEN".
Darin steht alles, was man als Mönch so braucht: "in dem man an (=ohne) zweifell wirt finden alles das zw ainen volkumen leben oder geistlicher ordnung fuedert (=fördert; hilft, vorwärts bringt) und durch-?-pringt...".
Man soll bedenken, "wie gar lieblich er euch ermant...suessiglich...und spricht textus 'ausculta o fili' verhör kindt die gepot des maisters und naig das or deines herczen und entpfach geren oder lieblich die manung (?) des millten oder guetigen vaters und erfüll das mit der arbait der gehorsam von dem du geschaide(n) warst mit der trackhait oder verlassenhait der ungehorsamikait glosa (?)..." (also: die Ermahung=gar lieblich und honigsüß: höre, Sohn, höre, Kind, die Gebote des Meisters und neige das Ohr deines Herzen und empfange gerne oder in Liebe die Ermahnung des milden bzw. gütigen Vaters und erfülle dies mit der Arbeit (Mühe) des Gehorsams, von dem du geschieden warst durch die Trägheit oder Verlassenheit des Ungehorsams...".
Durch diese Worte sollen wir ermahnt werden, dem Herrn nachzufolgen: "ob wir warlichen nach volgen dem leben und der ler unsers heres Jhesu Christi"
(=imitatio Christi).
Diesem ist BENEDICTUS nachgefolgt, und zwar total: "dem völliklich nach hat geuoll(g)t der heilig vater SAND BENEDICT".
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fol. 2 v: Niemand kommt zu einem vollkommenen Leben ohne ihn. Durch Haltung der Gebote erben oder erwerben wir das ewige Leben: "so söllen wir fleissiklich halten seine gepot in den wir an (=ohne) zweifell das ewig leben erberben". Diese Mahnung soll nicht "an nücz ergen (=ergehen) und an...erlüstung (=Lust, Freude)". Ziel ist, "das sy dann mit -?- begir unuerdrossenlich und an alle versaumnus sich werden üben in güeten wercken" (daß sie sich mit -?-Begierde unverdrossen und ohne alle Versäumnis in guten Werken üben). Und: "zw (lies: zu; zuo) gote keren von dem sy abgeschaiden waren" (und sich zu Gott kehren von dem sie abgeschieden waren) "mit der trackhait irs ungehorsamen herczen das der welt lieb zw mal pöß gemacht het" (mit der Trägheit ihres ungehorsamen Herzen, das die Liebe zur Welt gänzlich (gar sehr) böse gemacht hat), und zwar "in söllicher weis das im kain geistlich ding nit möcht völlicklich gelieben (?)" (also in solcher Weise, daß ihm kein geistliches Ding  beliebt zu tun; gefällt; oder: geblieben ist (?); kurzum: keine Lust auf geistliche Dinge!). THOMAS VON AQUIN wird als Autorität zitiert: Nicht alles was in der Regel steht, ist als Gebot zu verstehen ("das nicht alle ding die in der regel gehalten (=eingehalten) werden sind begriffen in gepocz weis"), "also zw veste ob etwer ir ettlichs überging das man nicht möcht gesprechen das er töttlich het gesundt" (also zu fest so daß, obwohl jemand von ihr (der Regel) einiges überging, man aber nicht sprechen möchte, daß er tödlich gesündigt hätte); "und da von soll man mercken das ettliche ding in der regel gehören vöderlichen zw den wesenlichen dingen des ordens" (und daran soll man bemerken, daß etliche Dinge in der Regel vorzugsweise zu den wesentlichen Dingen des Ordens gehören).-
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Donnerstag, 30. August 2018

HINWEIS: ARMINIUSCHERUSCUS2.@BLOGSPOT. COM

Dort befinden sich weitere Traktate mit "vil gutter ler"!
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CGM 4597: ABKEHR VON DER WELT: EINIGE ZITATE (TEIL 3)

91 v: "entplossen der weltliche lust und freude"-"als dann der weltlichen und torenden menschen awß red ist den alles ze swär ist was got zu gehort".
92 r: "und sein in ainem augenblick gefaren zu der hell"-"hie ist peliben ir fleisch den würmen zu ainer speiß"-"doch is is seel zu geaignet den hellischen pein nicht ist peliben von ir dan aschen und stawb"-"was nucz hat in gepracht dy eitel ere diser welt, die kurcz freud dy hochmutigung der welt dy fleischlech begier der falsch reichtumb das groß gesinde".
91 v: "Johanneß mit dem gulden mund...beseche man nu aller der greber dy hie in -?- hochfertigen und snoden leben ir zeit verzert"-"ob ettwaß sey bej jn beliben das jn hat nachgefolgt das ist reichtumb schäcz unlawtikait
93 r: oder hochfart"-"auch ire klaider damit sie sich geziert haben dem menschen zu wolgefallen wo sind hin kommen ir knecht die in nachvolgten mit hofieren tanczen und springen wo ist der dasigen freud alle hin kommen"-"nichts findt man bey jn dan aschen stawb und wurmer den sie ir snodß fleisch haben beraittet"-"und mag dir und mueß alleß widerfaren wann du pist ain mensch von luem und kot von dem erdtrich pist du und lebste da von und kumbst wider dar ein"
93v: "die weil und zeit dir nit wyssent"-"ist vielleicht heut oder morgen".-
95 r: "alß ich arme tochter an het gefangen das ich wart ain tochter der tewfel und war vill bekümert mit awß wendigen dingen alß nach forschen weltlichen sachen und het kain begier zu an dachtigen wercken"-"und eytel was got zu gehoert ich het weltliche lieb gen den menschen darumb mangelt in der gottes"-"darumb beleib ich eytel und wart berawpt des trostes gotz"-"ich het ain wolgefallen an mir selb dar umb war ich o süsser got von dir geschaiden"
96 v: "darumb pelaib ich mir unbekannt".
96 r: "in dem ist doch geschriben der willen gottes und ewrer sel hayl und das ewig leben ist das ir das volpringen als got das von ainem yglichen menschen haben will"-"da er spricht will du gan in die hymel so behalt die gepot"-"wie doch das sy ain faltig und slecht ist so mag doch ain diemitigs hercz vill gutes und besserung dar aws nemen und ziehen".---
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CGM 4597: ABKEHR VON DER WELT (TEIL 2)

95: Die Autorin bezeichnet sich an dieser Stelle als Tochter des Teufels, als sie angefangen hatte. Sie habe sich auch viel um äußere Dinge gekümmert, ging weltlichen Dingen nach, hatte aber kein Streben nach Andacht. Sie sei faul darin gewesen, was Gott angeht, hatte weltliche Liebe gegenüber den Menschen, weswegen es ihr an Liebe gegen Gott mangelte. Da sie oft im Kreatürlichen etwas suchte, blieb sie im Zusatnd der Eitelkeit und Nichtigkeit.
fol. 95 v: Die Gebrechen der Menschen kannte sie besser als die eigenen und daher blieb sie sich unbekannt. In allen ihren Worten und Werken war sie ungeordnet, weswegen ihr Herz auf vielfältige Weise betrübt war und hart. Sie bezeichnet ihre Rede als überflüssig! Die Adressatin soll durch dieses Schreiben von Gott ermahnt werden, ihm zu dienen und ihn lieb zu haben. Deshalb solle sie es mit Geduld lesen.
fol. 96 r: Das Seelenheil hängt davon ab, daß man das tut, was Gott von einem will. Wenn man in den Himmel gehen will, so muß man die Gebote Gottes einhalten. Die Schreiberin sagt, daß sie sich bewußt sei, nichts Besonderes zu schenken, doch auch wenn ihre Gabe einfältig und gering sei, so könne doch ein demütiges Herz viel Gutes und Besserung daraus gewinnen.-
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CGM 4597: FOL. 91 R-96 R: ÜBER ABKEHR VON DER WELT (TEIL 1)

Der Kodex stammt aus dem 3. Viertel des 15. Jh. bzw. aus dem Jahr 1455; Provenienz: Pütrich-Regelhaus/ Benediktbeuren; Umfang: 173 Blatt; enthält u.a. erbauliche Traktate und Sendbriefe; Vorbesitzerin von Faszikel 2: möglicherweise Ottilia von Absberg (ca. 1448-'68 Äbtissin von Niedermünster/ Regensburg; eingeschoben: fol. 93 v-96 r: ABSAGE AN DIE FALSCHE WELT; nach B. Haage gehört die "Ansage" zur katechetischen Kleinprosa und zerfällt in einen Teil 1: engagierte metaphernreiche Schmährede auf die Falschheit der Welt-und einen Teil 2: katechetische Unterweisung in der beliebten, hier fingierten Dialogform scholastischer Traktate, untermauert durch Väter-und Bibelzitate.
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fol. 91r: Um die Frucht Gottes ewig zu genießen, soll man die Begierde von dieser Welt abwenden, damit man nicht betrogen werde! BERNHARD VON CLAIRVAUX: die Strenge (?) sei für die hart, die der Welt leben; für die Liebhaber Gottes aber eine köstliche Speise. Dieser Rat, so mag man einwenden, sei gut, aber es sei schwer, ihm nachzufolgen, denn wer kann schon die Sorge um die Kinder, das Haus u.dergl. beiseitelegen
fol. 91 v: und das, was dem Menschen zufällt, jedoch ihm entgegen ist und ihn der Liebe Gottes entzieht? Wer kann sich schon befreien von weltlicher Lust und Freude? Doch dies ist nur Ausrede der törichten Leute, denen alles zu schwer ist, was Gott betrifft. Was aber dem Leib und der Welt dient, das schätzen sie. BERNHARD und AUGUSTINUS: Wo sind die Liebhaber der Welt, die noch vor kurzem bei dir gewohnt haben, was sind sie nun oder was sind sie gewesen,
fol. 92 r: sie waren Menschen wie du, haben getrunken, gelacht, geschimpft und haben ihre Tage nach ihrem Willen vollbracht und nach ihrer Lust UND SIND VON JETZT AUF NACHHER IN DIE HÖLLE GEFAHREN!-Hier ist ihr Fleisch geblieben, DEN WÜRMERN ZUR SPEISE. Ihre Seele aber wird den höllischen Qualen übergeben. Was für einen Nutzen hat ihnen gebracht die Eitelkeit dieser Welt, fleischliche Begierde, der falsche Reichtum, großes Gesinde usw.
92 V: Wo ist dies nun alles, ihr Schimpfen, ihr Übermut, ihre Hoffart (Stolz), Tanzen, Singen, Springen. Aus wie großen Freuden sind sie in unaussprechliche Traurigkeit gekommen. Nach solcher Wollust sind sie in große Bitternis gelangt. JOH. CHRYSOSTOMUS: Seht die Gräber der Hochmütigen und derer, die ihr Leben schnöde vertan haben, NICHTS IST VON IHNEN GEBLIEBEN, das sie mitgenommen haben.
fol. 93 r: Ihre Kleider, womit sie sich geschmückt haben, um den Menschen zu gefallen, ihre Knechte, ihre Freuden, wo sind sie geblieben? Was bleibt ist Staub und Asche und die Würmer, denen sie ihr wertloses Fleisch zur Speise bereitet haben. Dies alles muß dem Menschen widerfahren, der aus Lehm und Schmutz ist und aus Erde, von der er lebt und in die er wieder kommt,
fol. 93 v: ohne daß man weiß wann, heute oder schon morgen, denn DER TOD WARTET JEDERZEIT AUF DICH UND MAN KANN IHM NICHT ENTGEHEN! Ist man aber weise, so bereitet man sich vor. BERNHARD: Falsche und schnöde Welt, was ist deine Freude und dein Vergnügen!? Es ist alles verschwunden und vergangen wie ein Schatten durch die Sonne.
fol. 94 r: Die Freude währt nicht lange. Sinn unklar: Es geht u.a. um falschen Lohn, Unstetigkeit, daß alles was versprochen ist, falsch sei,
fol. 94 v: elenden Tod, geringe Reue und Andacht.-Viele Reiche und Mächtige sind gänzlich vergessen, als ob sie nie als Menschen existiert hätten. Dank an Gott für Erleuchtung und daß er einen von den irdischen Dingen entfernt habe, die ihn seines Anblicks beraubt hätten.---
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Dienstag, 28. August 2018

ARMINIUSCHERUSCUS2.BLOGSPOT.COM

arminiuscheruscus2.blogspot.com

Unsere neue Mittelalterseite!

HINWEIS: WEITERE TRAKTATE

findet man auf ARMINIUSCHERUSCUS2.@BLOGSPOT. COM wie z.B. einen Novizentraktat für Nonnen u. a.
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CGM 4597: TRAKTAT ÜBER GEWISSEN UND SÜNDEN (TEIL 4)

fol. 87 r: Es gibt dreierlei Werke:
1) die an sich gut sind, nur ein Umstand macht sie böse
2) die so übel sind, daß sie besser nicht geschähen (Ehe brechen, rauben, Angeberei, Ehre abschneiden)
3) die in der Mitte sind: "dy an jn selbß weder gut noch pöß sind alß sich jucken an dem hawpt (lies: haupt) oder ain halm auf heben".
fol. 88 r: Die bürgerlichen Sitten sind zwar gut, aber in christlicher Hinsicht oft nutzlos! Auch Ungläubige haben solche Sitten! Sie machen deswegen niemanden selig! Da die Menschen nicht alle Bücher lesen können "noch all predig mugen haim suchen", soll man Gott lieben wie es der
fol. 88 v: Hl. AUGUSTINUS tat, "so verlat (=verläßt) sy (=sie, die Menschen) got nit". Es ist auch "gar ain guts und nucz zemercken das der hoch lerer GERSON der canczler von Parviß (=Paris) setzet jn ainem sendpuch von drey warrhaiten". Wer bekennt, ist "in dem stand deß hailß".
fol. 89 r: Was zählt ist der Vorsatz: "aber ich hab guten forrsatz mich fürbaß (=künftig; oder: wirklich, unbedingt) ze hutten vor der sünden und vor der sund ursach nach meinem vermugen".  JOH. GERSON:
89 v: Wenn einer gesündigt hat, wird er dies erkennen und die drei Warheiten einhalten: "so wurd er danach solich erkennen der drey warhait pehalten wie wol er vielleicht lange zeit müst  in dem fegfewr (lies: fegfeuer) sein" (Sinn unklar!?). Man soll diese drei Warheiten bekennen, nachts, morgens und wenn man in Not ist ("in notten sey").
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FINIS

CGM 4597: TRAKTAT ÜBER GEWISSEN UND SÜNDEN (TEIL 3)

fol. 83 r: Es gibt auch das träge Unwissen, wenn man zwar gern wissen will, sich dafür aber nicht mühen möchte. Und es gibt aber auch das wollende Unwissen, wenn z.B. einer sagt: wenn ich viel weiß und kann, muß ich viel verantworten. Diese drei Arten von Unwissen entschuldigen die Sünde nicht.
fol. 83 v: Pauluszitat.-Wer aller Dinge wissen und erkennen will zu seinem Heil und dies mit Fleiß tut, der ist entschuldigt, wenn er etwas aus Einfalt tut.
fol. 84 r: BONAVENTURA und WILHELMUS PARISIENSIS: Das Unwisen des Menschen wird dadurch entschuldigt, daß man fleißig heilsame Dinge lernt, indem man Gottes Wort hört oder emsig in der Hl. Schrift liest "durch gemütliche (=im Gemüt!) betrachtung solicher guten dinge die man höret". Weiterhin daß man gern mit gottesfürchtigen Menschen über heilsame Dinge redet und sich fragt
fol. 84 v: was zu Gottes Lob führt.
3) Man hüte sich von "swären sünden" "daß er dar jnne nit lang lig". Gott straft auch durch neue Sünden die alten. So wird der Mensch ungeschickt zu guten Dingen.
4) Bitte des Menschen an Gott "das er jn erleucht in den dingen aller maist die dem hayll notdorftig sein".- ZITAT: JOH. CHRISOSTOMUS und MATTHÄUS.
fol. 85 r: Bemüht man sich, so bleibt einem nicht unerkannt, was man wissen wolle, damit man nicht aus Unwissenheit sündige. Aber: wer "sündet awß (lies: aus) gancz poßhait wissentlichen und williclichen daß ist in den hailigen geist und ist
fol. 85 v: die hertest sünd und wirt hart (=schwer) vergeben" (dann ist aus mit Vergebung!). Man sei in allem Tun und Lassen andächtig. Man soll bei jedem Werk die Umstände beachten.
fol. 86 r: Wenn man z.B. fastet, so tue man dies auf vernünftige Art: "mit den rechten umbständen jn rechter maynung (=Gesinnung) in rechtem maße und ordnung waß dem leib abgee daß dar durch der sel zu gee" (was dem Körper sozusagen abgebrochen wird, das kommt der Seele zugute). Ähnlich bei Almosen: bedenke, wieviel, was, warum, wem, wozu du gibst.
86 v: So auch bei einem jeglichen Werk! Bedenke die Umstände, die es gut machen oder nicht! Tut man etwas aus Selbstüberhebung (Prahlerei, Stolz), dann ist dies schlecht.
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CGM 4597: TRAKTAT ÜBER GEWISSEN UND SÜNDEN (TEIL 2)

fol. 78r: Das eigene Tun schätzen solche als gerecht ein, bei andern aber sind sie ungnädig und strafen sie. Es ist schwierig zu unterscheiden, ob eine Sünde tödlich oder läßlich ist.
1) Ein Mensch hat zu große Liebe zu sich oder zu einer anderen Kreatur.
78 v: Er sündigt gegen Gott, was tödlich ist. Die Selbstliebe muß klein sein!.
2) Wessen man geduldet sein will, das soll man auch bei anderen dulden ("weß du wilt vertragen sein von den menschen deß solt du sy auch vertragen und weß du wilt daß man dir tue
fol. 79 r: das solt du auch tun". Inwieweit etwas Todsünde ist, läßt sich nur schwer ermessen; es kommt auf die "umbstänt" an.
3) Wenn man etwas Böses tut (wider die Gebote oder die Gesetze der Natur) oder etwas Gutes nicht tut, dann ist das Todsünde, besonders wenn man geschworen hat oder wenn es wissentlich geschieht.
4) Wenn etwas gegen das Gewissen geschieht oder wenn man sieht, das es nicht gut ist, dann ist es Todsünde. Das Gewissen kann sich auch irren!
fol. 80 r: 5) Denkt man an eine böse, nichtige Sache, dann ist das Todsünde, auch wenn man kein Gefallen daran hat. Hat man in sich eine Nachgiebigkeit zu Werken, die tödlich sind, dann ist dies ebenfalls tödlich, auch wenn das Werk niemals geschieht!
fol. 80 v: Hat man die Geschöpfe lieber als den Schöpfer, so ist dies Todsünde. Hat man sie lieber, als man sie haben soll, aber weniger lieb als Gott, dann ist dies läßlich. THOMAS VON AQUIN wird zitiert.
fol. 81 r: BONAVENTURA: der Mensch kehrt sich durch die Todsünde von Gott ab. Es ist so, wie wenn einer zum Aufgang gehen soll, sich rumdreht und zum Untergang geht. Ein solcher "der keret sich zu ainer widerwärtigen weg"!
fol. 81 v: 3) Um ein Werk zu vollbringen, bedarf es dreier Dinge:
1) das Vermögen (Können, Macht)
2) Wissen und Verstehen (das Wie)
3) Willen
Fehlt eines davon, geschieht das Werk nicht.
82 r: Vergleich der Dreieinigkeit mit diesen drei Dingen: 1) entspricht der Allmacht Gottes, 2) seiner Weisheit, 3) der Güte des Hl. Geistes. Lustige Stelle: "wann sündest du awß (lies: aus) plödikait so ist es in (=gegen ?) got
fol. 82 v: den vater sundest du awß ainfaltichait so ist es gesünd in got den sun sündest du awß poßhait so ist eß gesünd in den hailigen geist".-Die drei Seelenkräfte, durch die wir nach der Dreieinigkeit gebildet sind: Gedächtnis, Verständnis, Wille. Wenn der Mensch tut, was er kann, dann sündigt er nicht. Gott verlangt nicht, was über das Vermögen hinausgeht. Der Mensch sündigt auch aus Einfältigkeit und Unwissen!
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CGM 4597: FOL. 72 R-89 V: TRAKTAT ÜBER GEWISSENSERFORSCHUNG UND DEN UNTERSCHIED ZWISCHEN TÖDLICHEN UND LÄSSLICHEN SÜNDEN (TEIL 1)

fol. 72 r: Was das Gewissen angeht, so befinden sich viele in großem Irrtum. Bei weltlichen Freuden und Kurzweil muß man sich in acht nehmen (übermäßige und überflüssige Gebärden, Kleidung, Schmuck). Oft straft einen das Gewissen dafür. Doch kann man sich nur schwer davon losmachen. Handeln die Leute aber anders als ihresgleichen, so werden sie geschätzt, wenn sie das Unrecht anderer strafen. So vermeinen sie  gerecht zu sein und schätzen sich selbst besser.
fol. 72 v: Die Stände der Menschen: sie sind ungleich. Es gibt geistliche und weltliche. Einer ist in der Ehe, der andere ledig, einer will heiraten, der andere nicht. Ebenso gibt es Unterschiede beim Gewissen und zwischen Todsünden und läßlichen Sünden. Es gibt verschiedene Umstände, die ein Werk gut oder schlecht machen. Zum ersten soll man wissen, daß es sieben Arten des Gewissens gibt.
1) ein zu sicheres oder füchsisches wie bei den Pharisäern, die oft große Sünden zu kleinen machen. Ein kleiner Irrtum wird durch böse Gewißheit
fol. 73 r/ v: am Ende groß. Fabel vom Fuchs, Löwen und Esel: Der Fuchs macht klein, was der Löwe getan hat, aber der Esel getan hat, der nur einen Schuh gefressen hat, das macht er groß. Genauso gibt es Leute die"gleich der fuchsischen listikait" sind, die die großen Sünden der Mächtigen kleinreden, aber die kleinen der Armen strafen. So richten die großen Diebe über die kleinen.
fol. 74r: 2) Das zweite ist das zu weite Gewissen, das nur die großen Sünden beachtet. Solche merken nicht, daß ein starkes Haus zusammenfällt, wenn man kleine Mängel übersieht. Sie sind wie Fischer mit weitmaschigen Netzen, die daher die kleinen Fische nicht fangen, die übrigens oft besser und gesünder sind. Mit zu weitem Gewissen kommt man nicht zur Vollkommenheit!
fol 74 v: Ein solches Gewissen heißt man das wölfische.- Fabel vom Wolf, der Kuh und dem Kalb.-Viele wollen sich durch ein zu weites Gewissen herausreden.
3) Die dritte Art von Gewissen ist das kleinmütige und strenge, wie es die haben, die an allem zweifeln und über alles besorgt sind. Bibelzitat: AT (Makkabäer 2).
4) Das vierte ist das ruhige. Solche sprechen oft: Gott sieht es nicht.
75 r/v: Warnung Salomons, nicht den Sünden nachzugeben (Sprüche 1). Ein solches Gewissen haben die, die nicht wissen wollen, was das Richtige ist.
5) Das böse Gewissen, das oft der Verzweiflung nahesteht. Das haben die, die immer wieder in Sünde fallen, obwohl sie es bereuen. Zitat NT (Christus spricht zu Petrus).
6) Dieses ist gut, aber nicht ruhig, sondern krank wie bei denen, die in Bitterkeit ihrer Seele gedenken, wie sie in den letzten Jahren gewesen ist. Sie empfinden den Streit zwischen Körper und Geist. Diese Menschen sind lau(warm) in ihrem Streben. Da wo keine Sünde ist, sind sie oft betrübt. Sie werden oft durch die bösen Feinde der
76 r/v: Worte bewegt oder durch die Lehren der Unweisen, die einen irre machen. Zitat NT (Korinther 8).
7) Dieses ist ruhig und gut (Zitat: "der Zwölfbote"; AT) und HUGO VON ST. VIKTOR im Buch über die Seele: ein ruhiges Gewissen ist süß.
77 r: Ein gutes Gewissen macht ein Drittel der Geistlichkeit aus; es ist eine Wohnung des Hl. Geistes.
77 v: Am jüngsten Tag kommt es ans Licht und wird wie ein Buch geöffnet. Geistliche Sünden: Hoffart, Geiz, Neid, Haß. Vergleich mit Mücken und dem "kameltier".-Das gnadenlose Gewissen ist oft sich selbst gnädig.
ENDE TEIL 1-----
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Donnerstag, 19. April 2018

NOVIZENTRAKTAT: Freiburg Hs. 219, fol. 10 r-v: Praefatio (Vorrede); erstes Kapitel: Gründe für den Eintritt in einen Orden

von im: wann gott der her ist hailsam und saelig machen die do hoffnung habend in in: wie wol eß ist das er muß zuo zytten ist zuoschicken trie saeligkait
hie hant ain end die vorred
hie vacht sy an der tractat den man nempt ain form der novitzen oder aines anfahenden menschen / das erst capitell das der mensch betracht war umb er kumen sy in ainen gaistlichen orden zuo dem aller ersten: du gaistlicher mensch. bist du ingegangen in ain gaistlichen bewertten orden: betracht zuo dem
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10 v: aller ersten / war umb du dar in syist kummen: und war zuo und uß wass ursach willen: warumb bistu aber kumen / allain das du wellist gott dem heren Christo jhesu: deinem gespons. hie in disen ellenden stoerblichen leben: williglich frölich biß in den tod deinen (=dienen!) / das er werde dein lon in den ewigen leben: nun zuo gelicher weiß als du umb kaines anderes wegen bist kumen in ain gaistlichen orden / allso umb kains anderen willen soltu verlangen kain guotz werck. war zuo bist du aber kummen in ainen gaistlichen orden: nienen (hienen ?) zuo dann zuo dem
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NOVIZENTRAKTAT: FREIBURG, HS 219

Ein Gebets-und Andachtsbuch; Schriftart: Bastarda, 6 Hände; 2. Hand: schwäbisch; oberrhei.: 3-6; Provenienz: Benediktinerabtei St. Peter, Schwarzwald, 1505 beendet; möglicherweise von Schwester KATHARINA EDERIN geschrieben.
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9r: Hie hept sich an die vorred uber den tractat den man nempt ain form oder ain gestalt der novitzen Ain form oder ain gestalt aines gaistlichen anfahenden lebes so der mensch noch ain novitz dar-?- wuert diser nachfolgend tractant genempt dar in begriffen werdend un allen zwifel So wuert er ain warlicher gaistlicher mensch: wann zuo gelicher (ß) wiß als ain form aines yettlichen dings gitt (?) ain wesen und ain stalt (?) dem selbigen ding also das deß selbig ding warlich sy:also auch die maaß und die form aines gaistlichen lebe(n)s
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9v: welches in disem tractat begriffen wuert. gitt (?) und verlicht ainem menschen ain war rechs gaistlichs leben aber nott ist es das der selbig leb nach der ler / die dar in geschriben stant und wann er merkt das er daran abnemen sy.-?- zuo beserung: all weg rief an die hilff des almechtigen gottes un welche hilff on allen zwiffel / ist der mensch das thon so wiert er finden hilff von gott und nymer verlaufen
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