Freitag, 9. September 2016

CGM 800: FOL. 208 V: "VON DEN TÄGLICHEN MÜHEN UND PLAGEN DES MENSCHLICHEN LEBENS"

208 v: ...-brigkait da mit wir umb geben sein und eingewickelt im sack unser aigen haut mit neuen flüssen (?) die an uns ire täglichen gang haben siben am haubt und zwen untten haimlich und offenlich da nichcz ausgeet dann unsaubrikait darumb was macht der mensch auß im selber der von aitter und von ainer unsaubern materi in müt (mitten?-Mutterleib!) leib ist zw samen geflossen und entpfangen werden wer (?) die ding recht gedächt het mer ursach zw wainen dann zw lachen und mer diemüetig zw sein dann hochvertig seidt der mensch ain aß (fraß?) der würm auch die sel im leichnam ist vol geistlicher prechen wann unser gedächtnuß ist vergessen und ist mer eitle ding zw hallten dann nücze auch ist unser verstentnuß hert und grob guette ding zw lernen und was wir nun ettwan mit mue und arbait begreiffen daz vergessen wir pald es ist auch unser wil zw guetten dingen träg und schnell zw pösen und werden in im mit vil vorcht und erschrecken und trawrigkait gepeinigt auch ist der muet des herczen voller unnüczer gedancken die sich hin und her cheren zw manigerlay gestalt tädt (?) und weiß zw pöß und guet alls daz kain steter sin und willen in im pleiblich ist und wiewol wir offt mit gedencken zw guetten dingen vermant werden geschiecht es leicht ee wir sy zw nücz recht versten so sind sy außgeprochen (? wir werden auch offt bewegt andern hässig zw sein umb ihre guetten...
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Wir sind also von Unsauberkeit umgeben, in die wir durch die Haut, die uns wie einen Sack umgibt, eingewickelt sind, mit neun Ausgängen, aus denen uns täglich etwas herausfließt, sieben am Kopf und zwei unten verborgen und offen, so daz nichts herauskommt als Unsauberes. Was ist also der Mensch, der aus Eiter und einer unsauberen Materie im Mutterleib entstanden ("zusammengeflossen")  (sich gebildet hat) und empfangen worden ist. Bedenkt man es recht, so hat der Mensch mehr Grund zum Weinen als zum Lachen! Und mehr Grund (Ursache), bescheiden als hochmütig zu sein, ist er doch (da er ja...ist) ein Fressen (totes Stück Fleisch) für die Würmer. Auch die Seele ist voller geistiger Gebrechen (Mängel), denn unser Gedächtnis ist vergeßlich und mehr geneigt, nichtige Dinge zu behaltten als nützliche. Ebenso ist unser Verstand (Ergänzung: zu) hart und grob (Ergänzung: also wenig geeignet), gute Dinge zu lernen. Was wir mit Mühe und Arbeit begriffen haben, das vergessen wir bald wieder. Unser Wille ist träge (faul) bei guten Dingen und schnell zu bösen Dingen geneigt. Und wir werden innerlich von viel Furcht und Schrecken und Traurigkeit gequält. Auch ist unser Gemüt voller unnützer Gedanken, die hin-und herspringen, indem sie die verschiedensten Gestalten annehmen, so daß keine innere Beständigkeit in uns ist. Obwohl wir zu Gutem ermahnt werden, geschieht es leicht, daß, bevor wir die Ermahnungen, die zu unserem Nutzen sind (Ergänzung: also nützlich sind; auch für andere) ,richtig verstehen, sie schon wieder weg sind (Ergänzung: also vergessen sind, aus unserem Gehirn gestrichen sind; "heraus-oder ausgebrochen" sind). So werden wir auch häufig dazu gebracht, auf andere gehässig zu sein wegen ihrer guten...
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tädt=Werke, Taten ??
seidt, mhd. sit=seitem; da ja (explikativ); obwohl (s. LEXER: MITTELHOCHDEUTSCHES TASCHENWÖRTERBUCH).
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