Geboren "um 809 irgendwo am Bodensee, wo er nach eigenem Geständnis seine Jugend 'in Armut' verbrachte". Als Junge von 10 oder 12 wurde er Schüler der REICHENAU. Dort herrschte der strenge REGINBERT, der WALAHFRID ins Skriptorium steckte. Dort mußte er geistige Fließbandarbeit verrichten (Kopieren von Handschriften). Viel mehr interessierten ihn aber die antiken Dichter. Dies war jedoch bei ABT ERLEBALD, Asket und Spielverderber, ganz und gar nicht vorgesehen. Also dichtete WALAHFRID heimlich, unterstützt durch seinen Freund WETTI. Als dieser starb, war WALAHFRID wieder unter der Fuchtel des schrecklichen Abtes. WALAHFRID schrieb ein Gedicht (fast 1000 Hexameter), wodurch er seine Trauer zu überwinden suchte. Darin finden sich so nette Dinge wie die Angst-und Fieberphantasien seines sterbenden Lehrers oder der Gang der Seele durchs höllische Feuer (vgl. DANTE).
Als nächstes schrieb er den "HORTULUS", "ein Poem über die Pflanzen des Klostergartens". Schließlich kann man nicht ständig über die Hölle schreiben.
"Dann ging er nach Fulda..." Dort konnte er endlich die Klassiker studieren. Dennoch war er "vom Heimweh nach der Reichenau und ihren sonnigen Gefilden geplagt". Seine nächste Lebensstation war der kaiserliche Hof, wo er KARL DEN KAHLEN (damals noch nicht kahl) unterrichten durfte. Er blieb ganze 10 Jahre. In dieser Zeit verfaßte er so manche gelehrte Abhandlung, aber auch ein Lobgedicht auf LUDWIG DEN FROMMEN.
"Schließlich kehrte er auf die Insel seiner Wünsche zurück". Im Jahre 839 wurde er dann wegen seiner großen Verdienste zum Abt der REICHENAU ernannt. Es folgte die große Zeit des Klosters. WALAHFRID STRABO ertrank 849 auf einer Frankreichreise in der Loire!
Die REICHENAU war zu dieser Zeit ein Zentrum und Hort der Gelehrsamkeit. Kein anderes Kloster im REICH konnte es mit ihr aufnehmen.
"Nach seinem jähen und frühen Tod wurde es allerdings still auf der REICHENAU."
Andere folgten nach: sein Schüler ERMERICH VON ELLWANGEN, dessen Hobby das Schreiben von Heiligenviten war, RATPERT, der geistliche Lieder verfaßte und Walahfrids Gallusbiographie in Versform umschrieb, MAGISTER TUTILO VON ST. GALLEN, ein Alleskönner und Athlet, der u.a. ein Kirchenlied komponierte, das heute noch gesungen wird (hodie cantandus).
"Überhaupt hatte fünfzig Jahre nach Walahfrids Tod St. Gallen die Reichenau als literarisches Zentrum abgelöst." Um 900 wirkte dort NOTKER DER STAMMLER, "ein kleiner, schmächtiger und furchtsamer Mensch von zerbrechlicher Gesundheit, der 'in seinem Leben viele Kränkungen erfuhr', aber allen Widrigkeiten dieser Welt mit franziskanischer Milde und Güte und einem nie erschöpfenden Fundus an Liebe begegnete." Wahrscheinlich hatte er eine Hasenscharte, so daß er lediglich stammeln konnte, "sein Kopf aber barg so ziemlich alles Wissen seiner Zeit". Doch dies ist eine andere Geschichte.
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Quelle: wie fast immer der von mir überaus geschätzte RUDOLF PÖRTNER
RUDOLF PÖRTNER: DAS RÖMERREICH DER DEUTSCHEN, Städte und Stätten des deutschen Mittelalters, Knaur-Verlag, München, Zürich 1970-79, S. 224 ff.
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